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Haus der Wissenschaft

20 Kunst am Bau

Wie an vielen anderen Stellen des Universitätsneubaus kommt auch beim westlichen Haupteingang des Kollegiengebäudes Karl Mosers Credo zum Ausdruck, Architektur im Zusammenwirken ihrer «Schwesterkünste» Bildhauerei und Malerei zu zeigen und «alle Möglichkeiten einer lebendigen Kunstentwicklung» auszuschöpfen.

Wasserbecken

Beim westlichen Haupteingang ist die Malerei erst in neuerer Zeit zum Zug gekommen. Das Architekturbüro Gigon/Guyer hat auf der ehemaligen stadtseitigen Gartenanlage vor dem Kollegiengebäude in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Guido Hager (* 1958) ein langes, flaches Wasserbecken eingerichtet. Es ist mit dem unterirdischen neuen Hörsaal entstanden, den Gigon/Guyer 2001–02 unter dem jetzigen Bassinplatz eingebaut haben. Das Beckeninnere strahlt anstatt in der zu erwartenden blauen oder graugrünen Färbung in Framboise sanft auf die Umgebung ab. Das vom Künstler Adrian Schiess ausgearbeitete Farbkonzept ist auch in den rötlich eingefärbten Beton der stadtseitigen Stützmauern des terrassierten Bassinsockels eingeflossen. Der Bassinsockel stellt eine farbliche Beziehung zu den rosa und blau lackierten Innenwänden und den grünen Pult- und Stuhlreihen des dahinter liegenden neuen Hörsaals her, ist unten dunkler, mit abgestuftem Verlauf bis zum oberen Rand, wo das Hellrosa zur Sandsteinfarbe der Universitätsfassade überleitet.

Schwerzmann-Brunnen

Wasser spielt auch direkt unter dem Säulenportikus, an der linken Wand vor dem westlichen Haupteingang, eine Rolle. Dort versah 1914 der Bildhauer Wilhelm Schwerzmann (1877–1966) einen Wandbrunnen mit Jugendstilornamentik: Das ausbuchtende Brunnenbecken ist mit hochovalen, kristallen und floral ausstrahlenden Reliefmedaillons verziert, das in der darüber liegenden konkaven Nische angebrachte Brunnenrohr wird von einem Pfauenpaar umrahmt, der obere Teil des die Nische bekrönenden kleinen Erkerfensters ist als Pflanzenrelief gestaltet. Zusammen mit den Pfauen weist es den Brunnen als Symbol des paradiesischen Lebensquells aus, der einen in der Universität erwartet. Schwerzmann wiederholte das paradiesische Pfauenpaar am Kapitell, das die Wandsäule neben dem Brunnen abschliesst. Wie seine drei anschliessenden, floral ornamentierten Kapitelle wurde es direkt am fertigen Säulenportikus geschaffen, wie Fotografien aus der Zeit der Universitätseinweihung mit den noch unbehauenen Kapitellblöcken zeigen. Schwerzmann kannte sich mit romanisierender Bauplastik aus: 1914 wurden einige der Köpfe und Masken im Grossmünster-Kreuzgang durch seine Neuschöpfungen ersetzt. Karl Moser lobte Schwerzmann dafür, «dass er die grosse architektonische Form durch die Ornamente zu steigern» suche und damit einer «Errungenschaft der romanischen und gotischen Periode» folge.

Kassettenreliefs am Portikus

Weitere Bildhauerarbeiten steuerte hier Otto Kappeler (1884–1949) bei. In seinen Kassettenreliefs in den Bogenlaibungen des Portikus kommt unter anderem Melusine vor, die auch im einen von Kappelers Wandbrunnen in der erdgeschossigen Wandelhalle als Sternzeichen der Jungfrau begegnet; Saturn ist präsent, ein Zahnrad, eine Lyra, ein Wappenschild, Schlange und Echse, ein Ammonit sowie weitere, von Flora und Fauna inspirierte Ornamentik.

Pferdegruppen und Urnenvasen

Von Otto Kappeler stammen auch die das Zwischenpodest der Vortreppe zum Westeingang flankierenden beiden Pferdestatuen, die dank zweier Schenkungen des Generaldirektors der Aluminiumfabrik (der späteren Alusuisse) im schaffhausischen Neuhausen, Martin Schindler-Escher, realisiert werden konnten. Die Figuren sollen Kappeler zufolge «symbolisch zum Ausdruck bringen, wie der junge Mann [!] nach Vollendung seiner akademischen Studien in’s Leben hinaustritt». Die Pferdestatuen kamen erst nach der Einweihungsfeier von 1914 hinzu. Sie wurden zuerst als Gipsmodelle im Massstab 1:1 aufgestellt, dann aus Würenloser Kalksteinblöcken gehauen. Die erste Skulpturengruppe war bis 1916 fertig; bei ihr wird das Pferd, an dessen linker Flanke ein älterer Mann sich aufstützt, von einem unter ihm kauernden teuflischen Dämon behindert. Die zweite Gruppe wurde 1919 platziert; da wird das Pferd, gestützt von Adler und Schlange, mit auf ihm sitzenden Jüngling von Athena, der Weisheitsgöttin, an den Nüstern geführt.

Bis um 1965, als das Universitätsgebäude renoviert und 1968–71 die neue Mensa von Werner Frey (1912–89) in den südwestlichen Fuss des Universitätsgebäudes hineinbetoniert wurde, waren in der stadtseitigen Gartenanlage vor dem Kollegiengebäude zwei Urnenvasen von Otto Kappeler aufgestellt. Die von den Pferdestatuen weiter entfernte umlief ein Reigen Mädchenakte zwischen blühenden Ranken, die nähere ein Jünglingsreigen zwischen Blätterzweigen. Sie befindet sich heute – stark beschädigt – im kleinen Garten vor der stadtseitigen Fassade des ehemaligen Biologischen Instituts.

Weitere Bauplastik

Vom westlichen Haupteingang aus bietet der Weg entlang der Umfassungsmauer vor dem Biologischen Institut, die Künstlergasse hoch, weitere Architekturplastik. Zuerst geht man an einem kleinen, schmiedeeisernen Tor vorbei, das zum balkonbekrönten Eingang des ehemaligen Archäologischen Instituts führt und von zwei kauernden Akten Otto Kappelers, einer gedankenversunkenen Frau und einem sinnierenden Mann, flankiert wird. Weiter oben erblickt man einen analogen Eingang zu Diensträumen des Biologischen Instituts, den zwei sitzende Halbakte von Paul Osswald rahmen; sie sollen Maria und Joseph darstellen. In dieser Deutung würden sie eine besondere Rolle einnehmen, kontrastieren sie doch als Paar der unbefleckten Empfängnis die im dahinterliegenden Institut vertretene Lehre. Dass Karl Moser die Evolutionslehre nicht rein naturwissenschaftlich verstand, führen die kleinen Reliefs vor, die – eingelassen in leicht konkave Platten – die beiden oberen Institutsgeschosse voneinander trennen.

Otto Kappeler schuf hier, passend zum heute noch hinter der Fassade befindlichen Zoologischen Museum, ein barockes Panoptikum an Ornamenten. So wechseln sich Maskarone (Fratzen), wie sie sich in Zürich etwa am barocken Zunfthaus zur Meisen finden, mit Ornamenten u. a. in Blüten- oder Bienenform ab. Offensichtlich hatte sich Kappeler auch an dem um die Jahrhundertwende publizierten Buch Ernst Haeckels zu Kunstformen der Natur orientiert. Der Evolutionsbiologe Haeckel hatte damals an der Universität Zürich eine besondere Stellung: Der Zoologe Arnold Lang (1855–1914), der in Jena bei Haeckel doktoriert hatte, präsidierte beim Universitätsneubau die Baukommission des akademischen Senats. Auf Haeckels Bilderbuch gehen eindeutig die Reliefs mit Fledermauskopf und Kofferfischmaul zurück. Sollte man die skulptural dargestellten Naturformen nicht als solche erkennen, so konnte und kann man doch wahrnehmen, dass hier Natur – in Form von Stein, wie in der Architektur – zur Kunst geworden ist.

Michael Gnehm

Weiterführende Literatur und Links

«Höhlenmalerei»: Adrian Schiess im Gespräch mit Philipp Ursprung zum Hörsaal der Universität von Annette Gigon und Mike Guyer Architekten. In: Kunst Bau Zeit 1914 2014: Das Zürcher Universitäts­gebäude von Karl Moser, hrsg. von Stanislaus von Moos und Sonja Hildebrand, Zürich 2014, S. 328–333.

Rüegg, Arthur: Weiterbauten an der Zücher Universität: Von Karl Moser zu Gigon/Guyer. In: Kunst Bau Zeit 1914 2014: Das Zürcher Universitätsgebäude von Karl Moser, hrsg. von Stanislaus von Moos und Sonja Hildebrand, Zürich 2014, S. 314–327.

Franz Müller: Meditieren statt repräsentieren. Der skulpturale Bauschmuck der Universität. In: Kunst Bau Zeit 1914 2014: Das Zürcher Universitätsgebäude von Karl Moser, hrsg. von Stanislaus von Moos und Sonja Hildebrand, Zürich 2014, S. 294–311.

Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur: hundert Illustrationstafeln mit beschreibendem Text, allgemeinen Erläuterungen und systematische Übersicht (Band 2), Leipzig, [circa 1900].

Informationen zu Arnold Lang finden sich auch im Nekrolog auf den Seiten 145–153 im Jahresbericht 1914/15.

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