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Haus der Wissenschaft

18 Eingang West

Am Dienstag, 3. Januar 1911, nach dem Berchtoldstag, begannen die Bauarbeiten für die neue Universität von Karl Moser am Biologischen Institut. Drei Jahre später, am 18. April 1914, zogen bei den Feierlichkeiten zur Universitätseinweihung die Ehrengäste durch den dreiachsigen Säulenportikus beim westlichen Haupteingang an der Künstlergasse in das Kollegiengebäude ein. Sie durchschritten dabei das Eingangsportal, in dessen Türsturz von zwei Löwen flankiert in eine steinerne Schriftrolle gemeisselt worden war: «Durch den Willen des Volkes 1911–1914». Der geladenen Welt sollte vorgeführt werden, dass eine Bildungseinrichtung nicht «dem Volke» dargeboten, sondern «durch das Volk» in seiner Mündigkeit gewollt worden war. Der Erziehungsdirektor des Kantons Zürich pries beim Festakt die neue Universität als «Wahrzeichen der Demokratie».

Das Zürcher Ja zur Neuen Universität

Die Zürcher Stadtbürger bewilligten im Urnengang vom 15. März 1908 einen ersten Kredit für den Universitätsneubau. In zwei Abstimmungen stellten sich auch die im Kanton Zürich stimmberechtigten Männer hinter das Vorhaben: In einer ersten Abstimmung wurden am 26. April 1908 der Aussonderungsvertrag mit dem Bund, der die bis dahin bestehenden Verpflichtungen der Universität durch ihre Eingliederung in den Südflügel des Polytechnikums regelte, sowie die Krediterteilung für alle mit dem Neubau der Universität anfallenden Kosten genehmigt. Doch bereits nach Baubeginn musste wegen höher als geplant ausfallender Kosten für den Landkauf, den Bau überhaupt sowie dessen Einrichtung ein Ergänzungskredit beantragt werden; diese Vorlage wurde in der Volksabstimmung vom 2. April 1911 angenommen. Insgesamt sprachen Stadt und Kanton 5 Millionen Franken.

Gedenkmünze und Sechseläuten 1914

Der Zürcher Volkswille wurde zur Einweihung des Universitätsgebäudes 1914 regelrecht zelebriert. Eine bronzene Gedenkmünze wurde gegossen: Ihre eine Seite zeigt Mosers Universität von der Stadtseite mit – im rechten Vordergrund – einer athenischen Eule, auf der anderen Seite der Münze sind David mit Schleuder und dem linken Fuss auf dem abgeschlagenen Haupt von Goliath abgebildet. Köpferollen auch in Zürich! Das Martialische kam auch anderweitig im Kontext der Einweihungsfeier zum Ausdruck. Schon bevor der Bundesrat die allgemeine Mobilmachung auf den 3. August 1914 erliess, wurden Feldpostkarten mit dem Universitätsmotiv in Umlauf gebracht. Die Karten thematisierten das Sechseläuten vom 20. April 1914, das dem Universitätsneubau gewidmet war. Auf ihnen wurde über der von Zunftwappen gerahmten Universität der Tag eingeläutet, wurde die Universität vor strahlender Sonne mit einem alten Eidgenossen als Bannerträger Zürichs gezeigt, wurden Trachtenkinder am Limmatufer vor der Universitätskulisse abgebildet und schliesslich der Pharao Ramses, wie er mit gespanntem Bogen vor der Universitätssilhouette auf seinem Streitwagen vorbeireitet.

Man könnte das Sechseläuten von 1914 als Demonstration dessen sehen, was in Zürich unter dem «Volk», das den Universitätsneubau ermöglicht hatte, verstanden wurde: die Zünfte. Allgemeines Thema des Sechseläutenumzugs waren «Bilder aus der Geschichte des wissenschaftlichen Lebens». Und so zogen die (männlichen) Zünfter durch Zürichs Strassen, verkleidet als Ägypter mit dem verschleierten Bild zu Sais, als Babylonier mit Hammurabis Gesetzescodex, als das Volk Israel in der Wüste mit dem goldenen Kalb und der Bundeslade, als Griechen mit Diogenes und weiteren altgriechischen Geistesgrössen sowie mit athenischem Schiff und Opferzug, als römische Feldherren, Beamte und Gelehrte, als Figuren arabischer Kultur und als weitere Verkörperungen der Zeiten vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Auch Frauen kamen im Mittelalter zum Zug, etwa die Herzogin Hadwig von Schwaben als adlige Förderin der Wissenschaften (über ihren Lehrer Ekkehard von St. Gallen), und bei den Troubadouren waren es Agnès de Montluçon und Loba de Pennautier – nicht aber als dichtende Subjekte, sondern als besungene Objekte.

Die Universität Zürich war mit Darstellungen des Zürcher Carolinum und mit Karl dem Grossen sowie Chorherren und Schülern vom Grossmünster repräsentiert. Ein eigener Umzugswagen, an dessen Spitze die Eule Athenas thronte, zeigte eine Art Abbreviatur der Eingangshalbrotunde der Universität, vor deren Pfeilern sitzend sich Frauen als Personifikationen der sechs Fakultäten durch die Gassen ziehen liessen.

Der Weltkrieg bricht aus

Die Festlaune war von kurzer Dauer. Am 1. August 1914 versuchte der Zürcher Stadtrat angesichts des ausgebrochenen Krieges die Bevölkerung in einem Aufruf zu beruhigen und bat, von der «unnützen Aufstapelung von Geld und Lebensmitteln» abzusehen. Auch beim westlichen Haupteingang des Kollegiengebäudes hat der Erste Weltkrieg seine Spuren hinterlassen: in einer Kassette der rechten Bogenlaibung mit der Inschrift «Zu Beginn des Grossen Krieges vollendet Okt. 1914».

Michael Gnehm

Weiterführende Literatur

Baugeschichte: Schweizerischer Kunstführer, Universität Zürich, Basel 1980, S. 4–8.

Geschichte der Universität Zürich (Kurzfassung)

Gerold Meyer von Knonau, Die Universität Zürich in den Jahren 1833–1913. In: Universität Zürich, Festschrift des Regierungsrates zur Einweihung der Neubauten 18. April 1914, Zürich 1914, S. 9–100.

Philippe Welti, Peter Aisslinger: 100 Jahre neue Universität, Zürich und Zürichs Zünfte, Neujahrsblatt Zunft zur Waag, Zürich 2014. (Mit Bildern und Fotos zum Sechseläutenumzug 1914)

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