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Haus der Wissenschaft

10 Wandelhalle

Steigt man die Haupttreppe des Kollegiengebäudes hinab bis zum bergseitigen Erdgeschoss, erblickt man rechter Hand die reich ornamentierte Umrahmung der Rektoratstüre mit der davor liegenden Wandelhalle. Hinter dem erdgeschossigen Haupttreppenarm verbirgt sich bis zur Ausbuchtung an der Lichthofseite wie schon 1914 ein Buffet, das sogenannte Rondell. An dessen nördlicher Aussenseite ist in eine Nische ein Wandbrunnen von Otto Kappeler (1884–1949) mit einem mittigen Frauenakt eingefügt. Er findet seine Entsprechung in Kappelers Wandbrunnen mit männlichem Akt im südlichen Teil der Wandelhalle vor dem Rektorat.

Kappelers Astrologie-Wandbrunnen

Otto Kappelers beide Wandbrunnen haben neben ihrer Zierfunktion auch einen praktischen Nutzen sowie eine symbolische Seite. So wurden sie einerseits als Trinkwasserspender eingerichtet, andererseits verweist ihre Ornamentik in Form von Tierkreiszeichen auf noch andere Sphären. Den Rundbogen des Brunnens vor dem Rektorat beispielsweise bekrönt über dem männlichen Akt eine Melusine, als Zeichen der Jungfrau. Auf Schulterhöhe wird der Akt von den Zeichen für Löwe und Stier flankiert, die Rahmenbasis ist links als Skorpion, rechts als Waage ausgebildet, dazwischen tauchen über dem niedrigen Brunnenbecken die beiden Fische aus dem gemeisselten Wasser auf, mit ihren Köpfen symmetrisch das mittige Brunnenrohr anpeilend, das den Mund eines aus dem Ufergebüsch hervorlugenden Froschkopfes besetzt. In Verbindung mit Kappelers Himmelskörper-Reliefs über der abschliessenden Brüstung der Treppenhaushalbrotunde gesellt sich hier zur Astronomie die niedriger platzierte Astrologie, die so als eine Anfangsquelle wissenschaftlicher Erkenntnis interpretierbar wird.

Konstruktion und Idee der Wandelhalle

Im Bereich der Wandelhalle vor dem Rektorat lassen sich einige Beobachtungen zu konstruktiven und formalen Besonderheiten von Karl Mosers Universitätsneubau anfügen. Auf einer Bauaufnahme von 1912, die das Haupttreppenhaus und die nordseitige Wandelhalle im Erdgeschoss zeigt, sind einige der Materialien sichtbar, die bei der Konstruktion des Universitätsgebäudes verwendet wurden. Man erkennt, dass der Erdgeschossboden in Beton gegossen wurde, der Rondell-Komplex und die lichthofseitigen Arkaden der Wandelhalle aber aus Ziegelsteinen gemauert wurden. Auch Hohlsteine, die im rechten Vordergrund bereitliegen, kamen zum Einsatz. In der Wandelhalle liegen sechs Säulen aus Urner Granit, die dort dann zu drei Paar gekuppelter, je von einem Doppelkapitell zusammengefasster Säulen versetzt wurden. Sie tragen beidseitig der Haupttreppe das Kreuzgewölbe der Wandelhalle.

Diese Kreuzgewölbe sind entgegen ihrem massiven Schein eine Leichtkonstruktion: Sie wurden in Rabitz-Drahtputz konstruiert, das heisst aus einem Drahtgeflecht, das dann verputzt wurde (benannt nach Carl Rabitz, der das Verfahren 1878 patentieren liess). Die Gewölbe lassen so ebenso wenig wie die Arkadenmauern ihre Konstruktion erkennen: Auch letztere wurden glatt verputzt. Eine vergleichbare «Scheinarchitektur» bieten die gekuppelten Säulen, die in die erdgeschossigen Arkaden der Wandelhalle sowie in die Kolonnaden der daran anschliessenden Seitengänge hineingestellt sind. Es handelt sich hier um hohle Kunststeinsäulen, die von Otto Kappeler auf der Seite der Wandelhalle mit romanisierenden, geometrischen und vegetabilen Ornamenten versehen wurden.

Nicht auf eine Demonstration der Konstruktion, sondern auf die Evokation einer gewissen Architekturstimmung kam es Karl Moser an. Schon frühere Universitätsbauten hatten das Stimmungspotential von Arkadengängen genutzt. Prominente Beispiele aber, wie in München (1840) oder Wien (1884), suchen mit Neorenaissance-Formen einen palastartigen Ausdruck zu erzeugen. Bei Mosers Zürcher Universität hingegen geht es am Ort der erdgeschossigen Wandelhalle offensichtlich darum, die Nutzerinnen und Nutzer klösterlich einzustimmen und auf die romanisierende Kreuzgang-Adaption vorzubereiten, der sie beim Durchschreiten der Gänge um den Lichthof, die an die Wandelhalle anschliessen, begegnen.

Michael Gnehm

Weiterführende Literatur

Franz Müller: Meditieren statt repräsentieren. Der skulpturale Bauschmuck der Universität. In: Kunst Bau Zeit 1914 2014: Das Zürcher Universitätsgebäude von Karl Moser, hrsg. von Stanislaus von Moos und Sonja Hildebrand, Zürich 2014, S. 294–311.

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