Chaiselongue

Die Künstlerin Pipilotti Rist mit Studierenden auf der Chaiselongue, einem Denkmal, das an die erste Privatdozentin der UZH, Emilie Kempin-Spyri, erinnert. (Bild: Frank Brüderli, UZH)

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Idee des Denkmals

Mit der überdimensionierten Chaiselongue erinnert die Universität Zürich seit 2008 an die erste Privatdozentin der Universität, PD Dr. Emilie Kempin-Spyri. Kempin-Spyri (1853-1901) war Pionierin für die Gleichberechtigung der Frau und Wegbereiterin für Frauen an der Universität.

Die Idee hinter dem Denkmal beschreibt die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist (geb. 1962) wie folgt: «Die Skulptur nimmt auf verschiedenen Ebenen Bezug zu Leben und Wirken der zu Ehrenden. Das Bestiegen-werden-dürfen symbolisiert die Vorreiterarbeit von Kempin-Spyri, auf welcher die nächsten Generationen aufbauen und ausruhen konnten und können. Die Benutzerinnen und Benutzer wirken klein und empfinden sich selbst als Kinder – so muss sich Kempin-Spyri durch die verschiedenen Ablehnungen behandelt gefühlt haben. Die passiven Komponenten des Objektes werden durch die übertriebene Grösse aufgehoben. Der Massstab 2:1 bedeutet doppelte Länge-Breite-Höhe, vierfache Fläche und achtfaches Volumen.»

Die Formensprache der überdimensionierten Chaiselongue versetzt uns ins 19. Jahrhundert, die üppigen Schnitzereien enthalten bei genauerer Betrachtung verschiedene Sujets, die u.a. Fleiss (Bienen), Verwandlung (Schmetterling) symbolisieren und auf das Betätigungsfeld sowie das an Kempin-Spyri begangene (Un-)Recht verweisen (Paragraphen). Die Füsse sind Adlerkrallen nachempfunden und weisen feine Umrisse der Kontinente auf, was als Symbol für die universelle Dimension des Schicksals von Kempin-Spyri gedeutet wird. Obwohl Kempin-Spyri der Professorentitel nie verliehen wurde, nahm sich die Künstlerin Rist die Freiheit, auf der Chaiselongue in silbernen Buchstaben die Stickerei PD Prof. Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri anzubringen.

Werdegang von Emilie Kempin-Spyri

Wer aber war Kempin-Spyri und worin bestanden ihre Pioniertaten? Kempin-Spyri, Pfarrtochter aus Zürich-Altstetten und Nichte der Heidi-Autorin Johanna Spyri, wurde 1887 mit magna cum laude zur ersten Schweizer Juristin promoviert. Dies mit einer Arbeit über «Die Haftung des Verkäufers an einer Fremden Sache» und notabene nach nur zweijährigem Studium. Gegen Widerstände aus ihrem Umfeld hatte sie sich zu einem Jurastudium an der Universität Zürich entschlossen mit dem Ziel, danach mit einem Beruf den Unterhalt der eigenen Familie sichern zu können, zumal die Entlassung ihres Ehemannes aus dem Pfarramt absehbar war. Bei Studienabschluss war sie 34-jährig und Mutter von drei Kindern.

Ein Jahr nach der Promotion reichte Kempin-Spyri im Jahr 1888 ihre Bewerbung als Privatdozentin für römisches Recht ein. Trotz der unbestrittenen Qualifikation Spyris getraute sich die Juristische Fakultät nicht, sich im Alleingang über den Passus im Zürcher Unterrichtsgesetz hinwegzusetzen, wonach nur «wissenschaftliche gebildete Männer als Privatdozenten auftreten können». Man gelangte an den Senat, der die universitätsinterne Rückendeckung versagte und gestützt auf eben diesen Passus das Gesuch von Kempin-Spyri zur Ablehnung empfahl. Kempin-Spyri verliess daraufhin mit ihrer Familie die Schweiz und versuchte in New York als Dozentin sowie mit der Eröffnung einer eigenen Law School beruflich Fuss zu fassen. Familiäre Gründe – der Ehemann war bereits mit zwei Kindern in die Schweiz zurückgegangen – bewegten sie jedoch 1891 zur Rückkehr nach Zürich, wo sie ihre Habilitationsschrift über die Rechtsquellen der Gliedstaaten und Territorien der USA fertig stellte und sich ein zweites Mal an der Universität Zürich als Privatdozentin bewarb. Obwohl in Fakultät und Senat wiederum Diskussionen darüber entbrannten, ob Frauen überhaupt an der Universität unterrichten dürfen, hiess der Erziehungsrat gestützt auf das Gutachten der Fakultät, das Kempin-Spyri die nötige Qualifikation attestierte, das Habilitationsgesuch im zweiten Anlauf gut und erteilte ihr kurz vor Weihnachten 1891 die Venia Legendi für römisches, englisches und amerikanisches Recht. Im Sommersemester 1892 hielt die erste Schweizer Juristin und Privatdozentin ihre Antrittsvorlesung über «Die modernen Trusts».

Kempin-Spyris Lebens- und Arbeitssituation blieb trotz erfolgter Habilitation prekär: Vom Unterricht als Privatdozentin an der UZH konnte sie nicht leben, zu gering war das Interesse der Studierenden an ihren Veranstaltungen. Sie unterrichtete auch ausserhalb und versuchte sich als Inhaberin eines schweizerisch-amerikanischen Rechtsbüros über Wasser zu halten. 1895 ging Kempin-Spyri schliesslich nach Berlin, um sich dort eine berufliche Existenz aufzubauen, was ihr trotz enormen Anstrengungen nicht gelingen wollte. Ausserdem belastet von familiären und materiellen Problemen, erlitt sie im Spätsommer 1897 einen Nervenzusammenbruch und wurde wegen Geisteskrankheit in eine Berliner Heilanstalt eingewiesen. 1899 überführte man sie in eine Basler Irrenanstalt, wo sie 1901 schliesslich starb.

Kempin-Spyri hatte auch für die Zulassung als Anwältin vor Gericht gekämpft, wovon Frauen wegen des fehlenden Stimm- und Wahlrechts ausgeschlossen waren. Ihre staatsrechtliche Beschwerde wurde jedoch vom Bundesgericht abgelehnt mit der Begründung, dass Kempin-Spyris Interpretation, die Bundesverfassung postuliere die volle rechtliche Gleichstellung der Geschlechter auf dem Gebiet des gesamten Rechts, zwar ebenso neu als kühn sei, aber nicht gebilligt werden könne.

So gelangen Sie zur nächsten Station

Die nächste Station (15) befindet sich im Foyer West, einem länglichen Saal parallel zum Lichthof. Um dorthin zu gelangen, verlassen Sie den Lichthof durch den nächstgelegenen Ausgang an der Stirnseite des Saals und gehen dann – noch im Gebäude – gleich rechts ein paar Treppenstufen hinab. Station 15 befindet sich am Treppenabgang zur Mensa.