Glasdach

Verborgene Konstruktion: Das Glasdach, das den Lichthof überspannt, ist an stählernen Fachwerkbändern aufgehängt, die von unten nur vage sichtbar sind. (Bild: UZH)

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Baugeschichtliche Assoziationen

Von unten gesehen präsentiert sich das Glasdach wie ein geblähtes Segel, das schwerelos über dem Lichthof schwebt. Erneut stellen sich architekturgeschichtliche Assoziationen ein. Das Muldengewölbe ist eine gläserne Adaption hölzerner Dachkonstruktionen aus dem italienischen Spätmittelalter, wie sie sich im Salone des Palazzo della Ragione in Padua finden. Bemerkenswert ist an diesem Vergleich auch, dass der Paduaner Ratssaal mit astrologischen Fresken ausgemalt ist, deren Monatsdarstellungen im Universitätstreppenhaus mit den angebrachten Planeten-Reliefs ebenfalls eine Entsprechung finden.

Die Konstruktion des Lichthofdachs

Konstruktiv aber bewegt sich das Lichthofdach auf der Höhe seiner Zeit. Von unten sieht es aus, als ob es nur auf dem Dachgesims aufliege. Der Blick von oben offenbart hingegen, wie diese gläserne Hülle an stählernen Fachwerkbändern aufgehängt ist, die von einem zweiten Glasdach in Form eines Walmdachs überfangen werden.

Die tatsächliche Konstruktion des Lichthofdachs kann von unten nur vage durch seine matten Scheiben wahrgenommen werden. Die Fachwerkträger stimmen nicht mit den Linien der Metallfassungen des vorgehängten, aus fast gleich grossen Glasplatten bestehenden Glasdachs überein. Konstruktion und vorgehängte Form differieren. Im Vergleich mit der Halle der Amsterdamer Warenbörse von H. P. Berlage (1903) zeigt sich das explizit: In Berlages Lichthofdach liegt nicht wie bei Moser eine Hängekonstruktion vor, sondern eine Eisenkonstruktion, die sichtbar auf Gelenkstützen über Backsteinpfeilern aufruht. Die Konstruktion wird bei Berlage in Szene gesetzt und steht damit in einer gewissen Tradition, die bei mit Glas überdachten Innenhöfen im 19. Jahrhundert oft vorkommt.

Gegensatz von Form und Konstruktion

Bei Mosers Lichthofdach jedoch ist gerade der Gegensatz zwischen Konstruktion und Form demonstriert. In derselben Art wie Moser hat das Otto Wagner 1906 in der Empfangshalle der Postsparkasse in Wien gelöst. Am Lichthofdach zeigt der Künstler-Architekt Moser, dass er die künstlerische Form beherrscht. Damit setzt er sich ab vom Ingenieur der (nur) für die Konstruktion verantwortlich ist. Mit anderen Worten: Moser versteht Architektur als Kunst im Gegensatz zur (blossen) Nützlichkeit der Konstruktion.

Das Verbergen der konstruktiv relevanten Materialien hat bei Mosers Universitätsbau System. Das zeigt sich auch am Lichthof selbst. Wie bei grossen Bauwerken damals üblich, sind die Mauern in Mischbauweise ausgeführt: in den unteren Partien aus Beton, in den oberen aus Zement und Backstein, die Zwischenböden aus Eisenbeton. Zu sehen ist davon nichts, die Wände sind gleichmässig verputzt.

Dass sich hinter der sichtbaren Architektur oftmals modernste Konstruktion versteckt, zeigt sich auch andernorts. Erst wenn man beispielsweise in das (öffentlich nicht zugängliche) vom Turmhelm bekrönte Dachgeschoss hinaufsteigt, offenbart sich dort das konstruktive Innenleben.

Innovationen bei der Turmkonstruktion

Die beiden obersten Turmgeschosse sind mit Pilzdecken konstruiert, das heisst mit einer Eisenbetondecke, bei der die Unterzüge dank pilzförmiger Stützen wegfallen konnten. Dafür zuständig war der Ingenieur Robert Maillart (1872–1940), der namentlich als Brückenbauer berühmt wurde. Mit einem Lagerhaus in Zürich-Giesshübel schuf er indes 1910 die erste reine Pilzdeckenkonstruktion Europas. Weil bei der Ausarbeitung der Universitätsbaupläne die Konstruktion noch wenig erprobt war, kam sie im Universitätsturm nur an konstruktiv weniger heiklen Stellen zum Zug. Der geringeren Belastung wegen konnten die Pilzdeckenstützen da äusserst schlank ausfallen.

Neuartige Holzbauweise

Auch bei der Turmkuppel wurde eine neue Technik eingesetzt. Sie bestand aus einer Holzbauweise, dem sogenannten System Hetzer (benannt nach dem 1911 verstorbenen Otto Hetzer), bei der die Dachbinder aus aneinander verleimten Bretterschichten gebildet werden. Die dann ineinander verzahnten und gebogenen Dachbindersegmente erlaubten, die grosse Spannweite des Kuppelgeschosses ohne zusätzliche Ständer zu überdachen.

Beim Bau der Neuen Universität zeigte sich Karl Moser also offen für innovative, noch wenig erprobte Konstruktionen und Verfahren. Deren Einsatz sollte sich schliesslich auch langfristig bewähren.

So gelangen Sie zur nächsten Station

Thema der nächsten Station (8) ist das Modell für eine Erweiterung des Hauptgebäudes. Um dorthin zu gelangen, gehen Sie im Treppenhaus zwei Etagen abwärts. In der Etage F machen Sie eine Spitzkehre nach links und folgen dem Gang bis kurz vor das geschwungene Haupttreppenhaus. Die Vitrine mit dem Modell befindet sich gegenüber dem Hörsaal KOL F-123 auf der Terrasse zum Lichthof.