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Haus der Wissenschaft

7 Glasdach

Eine hochrechteckige Öffnung gibt im Geschoss H den Blick auf die Glasdach-Konstruktion über dem Lichthof frei. Dessen Glasdach präsentiert sich von unten gesehen wie ein geblähtes Segel, das schwerelos über dem Lichthof schwebt.

Erneut stellen sich architekturgeschichtliche Assoziationen ein. Das Muldengewölbe ist eine gläserne Adaption hölzerner Dachkonstruktionen aus dem italienischen Spätmittelalter, wie sie sich im Salone des Palazzo della Ragione in Padua findet. Bemerkenswert ist an diesem Vergleich auch, dass der Paduaner Ratssaal mit astrologischen Fresken ausgemalt ist – an deren Monatsdarstellungen die Himmelskörper-Reliefs des Universitätstreppenhauses gemahnen können.

Die Konstruktion des Lichthofdachs

Konstruktiv bewegt sich das Lichthofdach auf der Höhe seiner Zeit. Von unten sieht es aus, als ob es nur auf dem Dachgesims aufläge. Der Blick von oben offenbart hingegen, wie diese gläserne Hülle an stählernen Fachwerkbändern aufgehängt ist, die von einem zweiten Glasdach in Form eines Walmdachs überfangen werden. Dass aber die tatsächliche Konstruktion des Lichthofdachs von unten nur vage durch seine matten Scheiben wahrgenommen werden kann, wirft ein besonderes Licht auf sie aus Sicht der sogenannt funktionalistischen Moderne. Es erinnert an die Halle der Amsterdamer Warenbörse von H. P. Berlage (1903), auf die Stanislaus von Moos in seiner Diskussion des Lichthofs der Universität Zürich aufmerksam gemacht hat. In Berlages Lichthofdach liegt jedoch nicht wie bei Moser eine Hängekonstruktion vor, sondern eine Eisenkonstruktion, die sichtbar auf Gelenkstützen über Backsteinpfeilern ruht. Da ist die vielbeschworene Materialechtheit der Moderne umgesetzt. Bei Mosers Lichthofdach hingegen wird gerade der Gegensatz zwischen Konstruktion und Form demonstriert. Selbst die Position der stählernen Fachwerkträger, die bei genauem Hinsehen auch von unten festgestellt werden kann, stimmt nicht mit den Metallfassungen des gewölbten Glasdachs überein.

Innovative Verfahren

Dieses Verbergen der konstruktiv relevanten Materialien hat bei Mosers Universität System. Das zeigt sich auch am Lichthof selbst. Da bestehen die Innenmauern in den unteren Partien aus Beton, in den oberen aus Zement und Backstein, die Zwischenböden sind aus Eisenbeton. Zu sehen ist davon nichts, die Wände sind glatt verputzt. Die von aussen verborgene Konstruktion wiederholt sich bei der nächsten Meisterleistung des Universitätsgebäudes, seinem Turm. Mit dem Unterschied, dass sich hier – betritt man seine öffentlich nicht zugänglichen beiden obersten Geschosse und das vom Turmhelm bekrönte Dachgeschoss –  das konstruktive Innenleben offenbart.

Die beiden obersten Turmgeschosse sind mit Pilzdecken konstruiert, das heisst mit einer Eisenbetondecke, bei der die Unterzüge dank pilzförmiger Stützen wegfallen können. Dafür zuständig war der Ingenieur Robert Maillart (1872–1940) mit seiner Firma. Maillart wurde vor allem als Brückenbauer berühmt, insbesondere mit der Salginatobelbrücke bei Schiers (1929–30). Er war auch der Ingenieur der Zürcher Sihlpost (1927–30), wo er die Pilzdecke ebenfalls verwendete. Mit einem Lagerhaus in Zürich-Giesshübel schuf er 1910 die erste reine Pilzdeckenkonstruktion Europas. Weil bei der Ausarbeitung der Universitätsbaupläne die Konstruktion noch wenig erprobt war, kam sie im Universitätsturm nur an konstruktiv weniger heiklen Stellen zum Zug. Der geringeren Belastung wegen konnten die Pilzdeckenstützen da äusserst schlank ausfallen.

Auch bei der Turmkuppel wurde eine neue Technik eingesetzt. Sie besteht aus einer Holzbauweise (dem sogenannten System Hetzer: benannt nach dem 1911 verstorbenen Otto Hetzer), bei der die Dachbinder aus aneinander verleimten Brettschichten gebildet werden. Die dann ineinander verzahnten und gebogenen Dachbindersegmente erlaubten es, die grosse Spannweite des Kuppelgeschosses ohne zusätzliche Ständer zu überdachen. Von aussen zeugt aber auch hier nichts von der technischen Leistung: Das Glockendach des Turmhelms ist mit Kupfer bedeckt.

Michael Gnehm

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