Wandbilder

Erregte Anstoss: Frauenfigur von Paul Bodmer neben dem Treppenaufgang im April 1914. (Bild: Universitätsarchiv Zürich)

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Einheitliches Ganzes

Für die künstlerischen Ausschmückungen der Neuen Universität hatte Karl Moser vom Regierungsrat weitgehend freie Hand erhalten: Die Wahl der Maler und Bildhauer wurde ihm überlassen, immerhin im Einvernehmen mit der Baudirektion. Dies aus der Überlegung heraus, dass die künstlerischen Arbeiten vollständig im Sinn und Geist der ganzen Architektur behandelt werden müssten, um ein einheitliches Ganzes zu erhalten.

Einzig für die Ausschmückung des Dozenten- und des Senatszimmers wurde im Sommer 1913 ein Wettbewerb ausgeschrieben. In der Wettbewerbsjury sassen neben Karl Moser die Künstler Cuno Amiet und Ferdinand Hodler, Regierungsrat Keller (Baudirektion) und Universitätsrektor Egger. Die eingereichten Entwürfe wurden Ende 1913 im Lichthof präsentiert, sind aber leider nicht erhalten.

Der Kunstskandal

Die von der Jury erstprämierten und damit zur Ausführung berechtigten Projekte von Paul Bodmer (Ausdruck) und Hermann Huber (Punkt, später umbenannt in Der Verkünder) erregten enormes Missfallen und grosses Unverständnis seitens Professorenschaft, Stu-dentenschaft und in der Öffentlichkeit überhaupt. Zeitungen im In- und Ausland berichteten polemisch, Inserate wurden von konservativen Kreisen publiziert, die zur Wehr gegen die Produkte einer «kranken Geistesrichtung» aufriefen. Obwohl Moser persönlich die Entscheidung der Jury, in der notabene Regierungsrat und Rektor gegen Architekt und die beiden Künstler unterlegen waren, mit grossem Engagement vor der Professorenschaft rechtfertigte, trug seine Überzeugungsarbeit keine Früchte. Als dann noch an den Tag kam, dass Hubers Wettbewerbsbeitrag im Atelier von Jurymitglied Amiet entstanden war, sah sich die Bauherrschaft veranlasst, von den Ausführungen Abstand zu nehmen.

Mit Hermann Huber wurde im Februar 1914 als Kompromiss vereinbart, dass er seinen fürs Senatszimmer konzipierten Entwurf in abgeänderter Form vor dem Auditorium Maximum im 1. Stock ausführen konnte, wo das Werk bis heute unter dem Titel Lehren und Lernen prominent platziert ist.

Mit Paul Bodmer (1886-1983) waren die Verhandlungen schwieriger, da er nicht auf sein Ausführungsrecht verzichten wollte. Mit ihm wurde vereinbart, dass er neue Entwürfe für das Dozentenzimmer vorlegen müsse, über deren Annehmbarkeit dann die Baudirektion zusammen mit Karl Moser und dem Rektor der Universität entscheiden werde.

Trotz der laufenden Kontroverse hatte Karl Moser dem noch jungen und nicht sehr bekannten Zürcher Theatermaler Paul Bodmer (1886-1983) zur selben Zeit, im Januar 1914, weitere Aufträge erteilt, darunter die malerische Ausschmückung der südlichen Korridorwand im Erdgeschoss des Kollegiengebäudes.

Bodmer machte sich schon im März 1914 ans Werk, grundierte und bemalte die Wände gemäss eigenen Aussagen innert weniger Tage ohne Konzept und Vorlage. Offenbar übermalte er seinen ersten Entwurf noch vor dem Sommer 1914.

Im Spätsommer/Herbst 1915 nahm Bodmer einen neuen Anlauf und überarbeitete die Wand abermals. Doch die Änderungen vermochten die Kritiker nicht zu überzeugen. Im Spätherbst 1915, nach einer Besichtigung der Wandmalereien durch den Regierungsrat und nach einer Umfrage des Rektors bei der Professorenschaft, wurde Bodmer mitgeteilt, dass seine Bilder nicht befriedigen und deshalb nicht abgenommen werden könnten. Sie wurden in der Folge überspannt und im Sommer 1916 schliesslich übermalt. Dasselbe Schicksal ereilte übrigens noch andere junge Zürcher Künstler, die Moser mit der Bemalung von Seminarräumen beauftragt hatte.

Urteile und Erklärungsversuche

Wieso fiel das Urteil der Öffentlichkeit, Professoren- und Studentenschaft so negativ aus? Ganz unmöglich an der Fassung vom Herbst 1914, die Regierungsrat Mousson als unfertige Wandskizzen bezeichnete, fand derselbe zum Beispiel die Phantasiepferde, die nicht naturgetreue Darstellung der Figuren sowie generell Bodmers Mangel an technischem Können. Ausserdem: «Die Hochschule kann beanspruchen, nicht als Versuchsstelle für unfertige Künstler benutzt zu werden, deren Entwicklung doch noch keineswegs sicher ist. Und bei der künstlerischen Ausschmückung muss man sich doch auch den so oft zitierten Spruch: «durch das Volk für das Volk» vor Augen halten. Vorläufig malt Bodmer noch nicht für das Volk; und wenn man die Gewissheit nicht besitzt, dass die Bodmerschen Wandbilder je einmal ausser von einigen ganz wenigen als gut anerkannt werden, wird man auch dem vielleicht ja nicht einwandfreien allgemeinen Empfinden eine Konzession machen müssen.»

Im Regierungsratsbeschluss von Ende Oktober 1915, der das Schicksal der Wandmalereien im Korridor definitiv besiegelte, heisst es über die letzte Fassung: «Der Eindruck der neuen Bilder ist aber um nichts glücklicher als derjenigen der früheren Malerei. Bodmer besitzt nicht das Vermögen, seine künstlerischen Erlebnisse überzeugend darzustellen. Seine Malweise ist gesucht primitiv; ja es drängt sich die Frage auf, ob ihre Unbeholfenheit wirklich auf der bewussten Absicht beruht, eine künstlerische Idee auf den einfachsten, reinsten Ausdruck zu bringen oder ob der Künstler nicht aus der Not eine Tugend macht.»

Bodmers Kunst, obwohl von einer (Künstler-)Elite anerkannt, war damals für die breite Öffentlichkeit und speziell für die eher konservativen Universitätsangehörigen zu modern und unverständlich. Der Ansicht Karl Mosers, dass die junge Zürcher Kunst nach dem «reinen unverfälschten Ausdruck der Seele» strebe, stand die Ablehnung einer «Kunst des blossen Ausdrucks» gegenüber. Modernismus und Anti-Modernismus bekämpften sich.

Keine 20 Jahre später war Bodmers Kunst allerdings mehrheitsfähig geworden: Nachdem er mit seinen Wandbildern im Fraumünsterkreuzgang Erfolg hatte und auch im Ausland Anerkennung fand, wurde ihm 1931 an der Universität die Bemalung der Stirnwand in der Aula in Auftrag gegeben.

Freilegung

Zum einhundertjährigen Bestehen des UZH-Hauptgebäudes erfolgte die partielle Freilegung der Wandmalereien von Paul Bodmer. Sie wurde möglich dank der grosszügigen Spende des Zürcher Universitätsvereins (ZUNIV). Die Sondierungs- und Freilegearbeiten erfolgten durch Fontana & Fontana AG und wurden von der Kantonalen Denkmalpflege begleitet.

Da Paul Bodmer bei seinen zahlreichen Änderungen jeweils den Hintergrund soweit als möglich beliess und nur die Figuren umarbeitete, ist es nicht möglich, die einzelnen Schichten und damit die verschiedenen Fassungen eindeutig auseinanderzuhalten. Dies erklärt die bei der aktuellen Freilegung entstandenen «Doppelbilder». Im Bogenfeld zeichnet sich etwa hinter dem uns den Rücken zukehrenden weiblichen Akt schemenhaft ein halb sitzender, halb liegender männlicher Frontal-Akt einer früheren Fassung ab. Bei der unter der Putzschicht hervorgeholten weiblichen Figur links unterhalb des Bogenfeldes entspricht der Körper zwar weitgehend jenem der ersten Fassung, jedoch können weder Gesicht noch Haare der ersten oder zweiten Fassungen zugeordnet werden. Legt man allerdings die Fotografien der ersten und zweiten Fassung übereinander, dann stimmen die Überarbeitungsspuren mit der zuerst gemalten Szene überein.

So gelangen Sie zur nächsten Station

Die nächste Station (13) ist die Nike-Skulptur im Lichthof. Um dorthin zu gelangen, bleiben Sie vorerst auf Etage E. Gehen Sie rechts um die Ecke und folgen Sie dem Wandelgang in seiner ganzen Länge, vorbei am Dozentenzimmer (KOL E 11) und am Senatszimmer (KOL E 13). Im Treppenhaus steigen Sie eine Etage hinab und biegen dort linkerhand in den Lichthof ein. Die Nike-Skulptur befindet sich etwa in der Mitte des Lichthofs.