Erweiterungsmodell

Karl Mosers Erweiterungsmodell von 1917. (Bild: Frank Brüderli, UZH)

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Eine Verdoppelung

Das Architekturmodell zeigt die Erweiterung des Universitätsbaus, die Karl Moser 1917 projektiert hatte. Dieses Erweiterungsprojekt sah die an der Südseite des Kollegiengebäudes axial gespiegelte Verdoppelung des Gebäudekomplexes von 1914 vor – samt einer Verdoppelung der Eingangshalbrotunde und des Turms. Zwischen den beiden Universitätstürmen hätte eine flache Kuppel die Verbindungsstelle des ebenfalls verdoppelten Lichthofs abgedeckt.

Frühe Ideen

Schon wenige Monate nach der Einweihung spielte Moser mit dem Gedanken, durch eine südliche «Umlegung» des gesamten Baus eine «prächtige Akropolis» für Zürich, das Limmat-Athen, zu schaffen. Das Verdoppelungsprojekt geht allerdings auf Überlegungen des Kantons von Mitte 1917 zurück, neue Verwaltungsräume südlich der Universität beim Rechbergareal zu errichten.

Moser schlug bei der Gelegenheit vor, die geplanten kantonalen Verwaltungsräume mit einer Universitätserweiterung zu kombinieren. Da die Universität selbst zur kantonalen Verwaltung zählte, war diese Idee naheliegend. Moser erhielt den entsprechenden Projektierungsauftrag, aus dem noch im selben Jahr das Erweiterungsmodell resultierte. Trotz aufwendigem Modell und Detailplänen verfolgte der Kanton das Projekt jedoch nicht weiter und liess die Idee 1918 wieder fallen.

Eine mögliche Universitätserweiterung war allerdings schon 1907 im Wettbewerb zum Neubau der Universität angelegt. Das Bauprogramm hatte vorgeschrieben, dass im Projekt die zu erwartende Erweiterung einzuzeichnen sei. In ihrem Wettbewerbsbeitrag sahen Curjel & Moser denn auch südöstlich des Geländes einen Erweiterungsbau vor, der aus der Achse des Kollegiengebäudes gegen die Bergseite geknickt, mit ihm aber durch einen Verbindungstrakt verbunden gewesen wäre.

Im Fall dieser Erweiterung wäre eine wesentliche Eigenheit der 1914 gebauten Universität nicht nur erhalten, sondern verstärkt worden: die in sich asymmetrisch im Gelände verteilte Gebäudemasse.

Mosers Verdoppelungsprojekt von 1917

Hinsichtlich des Universitätsturms hielt Moser damals fest, es sei dafür Sorge getragen worden, dass er auch durch eine eventuelle Verlängerung des Kollegiengebäudes nach Süden hin seine Bedeutung nicht verlieren» werde. Mit der 1917 vorgeschlagenen Verdoppelung des gesamten Universitätsgebäudes wäre allerdings gerade dies bis zu einem gewissen Grad eingetreten. Durch seine Verdoppelung hätte der Turm seine Singularität und insbesondere seine Funktion als zentrales Scharnier zwischen Biologischem Institut und Kollegiengebäude verloren.

Der zweite Turm hätte nun die Intention des Verdoppelungsprojekts verdeutlicht, nämlich die Symmetrisierung der ursprünglich asymmetrisch dem Gelände angeschmiegten Gebäudeteile zu erreichen. Diese Intention wäre noch unterstrichen worden durch zwei monumentale, statuenbekrönte Kolossalsäulen vor der stadtseitigen Fassade.

Moser meinte 1917, die Verdoppelung «würde eine Erfüllung des ersten Baugedankens, und die Vollendung eines begonnenen Baues bedeuten». Moser stellt seine Universität im Zustand von 1914 nun als unvollendet, als Fragment dar, das eine Ergänzung benötige. Er wollte sich offenbar von der «Romantik» seines unregelmässigen Universitätsbaukörpers verabschieden und sich einem neuen «Klassizismus» zuwenden. Er untermauerte diese Haltung noch dadurch, dass er 1917 sagte, die Universität würde erst durch ihre symmetrische Regulierung «ein Pendant zum Polytechnikum werden».

Hermann Herters Gross-Zürich

Mosers Rechtfertigungen für sein Verdoppelungsprojekt erscheinen aus Sicht seiner früheren Konzeption, die um 1910 einer modernen Haltung entsprach, sich gegen den kopierenden Historismus und hin zu natürlichen Gegebenheiten wandte, mehr als verwunderlich. Sie stehen indirekt im Zusammenhang mit dem zwischen 1915 und 1918 laufenden Zürcher Bebauungsplanwettbewerb. Ein erster Preis wurde nicht vergeben, zweitrangiert (zusammen mit einem anderen Projekt) war «Die Organisation von Gross-Zürich» von Hermann Herter (1877–1945). Herter sah da u. a. auch eine Erweiterung der Hochschulbauten gegen Süden vor, inklusive einer Spiegelung der Gebäude an der Achse des Polytechnikums. Hätte man Herters Entwurf umgesetzt, wäre Mosers Universität also ebenfalls verdoppelt worden, aber sie wäre gewissermassen in Abhängigkeit zu Sempers Polytechnikum geraten, das als Spiegelachse ihrer Verdoppelung die Legitimität geliefert hätte. Mit Mosers eigenem Verdoppelungsvorschlag wäre die Spiegelachse in die Universität selbst verlegt gewesen. Die Legitimation wäre aus der Universität selbst gekommen.

Erweiterungsprojekte in den 1930er Jahren

Auch Mosers nächste Erweiterungsprojekte sind als Reaktionen auf eine Umgestaltung des Hochschulplateaus zur zusammenhängenden «Stadtkrone» zu sehen. Otto Rudolf Salvisberg (1882–1940), der Nachfolger Mosers als ETH-Professor, nahm die Idee einer nördlichen Spiegelung des Turms auf. Er realisierte einen schalungsrohen Betonturm des bis 1935 vollendeten Fernheizwerks der ETH und setzte damit ein Zeichen für eine schnörkellose Architektur der Moderne. Moser selber plante um 1930 zwei Varianten zur Erweiterung der Universität: einerseits die Aufstockung des gesamten Baukomplexes um jeweils ein Geschoss, andererseits eine an das Kollegiengebäude anschliessende südliche Erweiterung mit gestaffelten, und daher auch etappierbaren scheibenartigen Baukörpern. Mehrere Planvarianten zeigen, dass Moser mit der horizontalen Betonung der Fenster Möglichkeiten auszuloten begann, die das Repertoire einer schmucklosen Architektur bot.

Nach dem Vertikalismus des Universitätsneubaus von 1914 mit seinen Pfeilerfassaden und dem aufstrebenden Turm ordnete Moser nun die Fenster so, dass sich abwechselnde Mauerstreifen in Sichtbeton oder Verputz und ein Band von aneinandergereihten Fenstern die Fassade horizontal gliedern. Ganz im Sinne eines Dictums der klassischen Moderne, das Le Corbusier mit den fenêtres en longueur geprägt hatte, wäre das Hauptgebäude der Universität nach neuen ästhetischen Kriterien zeitgemäss erweitert worden. Die Universität hätte mit diesem letzten Erweiterungsprojekt eine Modernität erreicht, die Karl Moser zuvor in Basel mit seiner Antoniuskirche (1925–1927), der ersten Sichtbetonkirche der Schweiz, markiert hatte.

Dieser Betonmoderne hat sich die Zürcher Universität dann erst wieder mit der Mensa von Werner Frey (1912–89) angenähert, die 1968–1971 in den stadtseitigen Hang südlich des Kollegiengebäudes eingebaut worden ist.

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